Beziehungs/Weise

Verkehrter Trend: Bewerben sich in Zukunft Unternehmen?

von Christina Lugmayr
07. 06. 2023
Lesezeit: 4 Minuten

Die Stimmung am Arbeitsmarkt hat sich in vielen Branchen um 180 Grad gedreht. Früher waren es die Fachkräfte, die bei namhaften Unternehmen Schlange standen. Heute rittern Unternehmen mit Benefits wie freier Zeiteinteilung, Homeoffice, Weiterbildungen bis hin zu Obstkorb und Wuzzeltisch um Arbeitnehmer:innen. Dass hier ein Umdenken nötig ist, haben auch die HR-Abteilungen längst erkannt. Mit wirklich modernem Recruiting lassen die meisten sich jedoch (zu) viel Zeit. Worauf es dabei ankommt? Die Antworten finden Sie hier.  

Unternehmen brauchen schon lange, aber spätestens jetzt (!) gute Argumente, wenn sie talentierte Mitarbeiter:innen nicht an die Konkurrenz verlieren möchten. Doch Achtung: Ein gutes Gehalt ist längst nicht mehr alles. Und Spoiler Alert: Benefits auch nicht! Aber was dann?

Hypertransparente Arbeitswelt

Unsere Arbeitswelt ist, nicht zuletzt durch soziale Medien, mehr oder weniger transparent geworden. Best Practices machen schneller die Runde als Arbeitgeber:innen oft lieb sein kann, denn der Druck, als Arbeitgebermarke Schritt zu halten, steigt dadurch in ungeahntem Ausmaß. Neue Entwicklungen in Sachen Gehalt, Mitarbeiter-Benefits, Wertesysteme, uvm. gehen heute so „viral“ wie Katzenvideos.

Gut ausgebildete Bewerber:innen haben in der Regel eine sehr klare Vorstellung von den derzeit herrschenden, zum Teil länderübergreifenden Standards. Diesen gerecht zu werden, ist in der heutigen Zeit nur die halbe Miete – Trends zu antizipieren, ja sogar einzuleiten und damit eine Vorreiterrolle in Sachen Employer Branding einzunehmen, ist erst die wahre Kunst. Diejenigen Unternehmen, die sie beherrschen, können sich als Arbeitgebermarke gegenüber der Konkurrenz durchsetzen.

Mit Herz und Authentizität überzeugen

Vorreiter in Sachen Employer Branding zu sein, bedeutet natürlich nicht, Mitarbeiter:innen ohne Maß und Ziel willkürlich mit Benefits zu überhäufen oder unrealistische Ansprüche zu bedienen. Schon bei Goethe findet sich der Satz: „Das Was bedenke, mehr bedenke Wie!“ Letztlich geht es immer um Kommunikation und zwischenmenschliche Beziehungen – Authentizität und Herz spielen da eine wesentliche Rolle, wenn nicht die wesentlichste.

Der heilige Gral einer erfolgreichen Employer Branding Strategie lautet nämlich immer „Identifikation“. Mitarbeiter:innen identifizieren sich mit der Arbeitgebermarke und werden damit zu Markenbotschafter:innen. Identifizieren kann man sich aber nur mit etwas, das einen authentischen Kern hat. Ist dieser noch nicht klar definiert, ist ein unternehmerischer Selbstfindungsprozess gefragt. Ziel ist schließlich, diesen Kern, diese „inneren“, wahrhaftigen Unternehmenswerte mit gezielten Maßnahmen erfolgreich in den Köpfen der Mitarbeiter:innen zu verankern.

Darüber hinaus gibt es jedoch auch Grundparameter und -kriterien, die aktuell bei den meisten Bewerber:innen gefragt sind – sprich ein Zusammenspiel aus Benefits, wertschätzendem Umgang und Entwicklungsmöglichkeiten für die oder den Einzelnen.

Einige Beispiele:

  • Flache Hierarchien
  • Flexible Arbeitszeiten
  • Homeoffice-Möglichkeiten
  • Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten
  • Modernes Office
  • Ein Team, in dem man sich wohlfühlt

Corporate Storytelling:
Modernes Recruiting erzählt Geschichten

Die klassische „Über Uns“-Kategorie, die „Meilensteine“ aufzählt und ein paar nicht sehr aussagekräftige Team-Fotos auflistet, gehört der Vergangenheit an. Im Idealfall sollte eine Unternehmenswebseite nicht nur trockene Details oder einen vagen Eindruck vermitteln, sondern Assoziationen erregen, die sich im Kopf der Bewerber:innen zu einer Geschichte auswachsen.

Ein neuer Job ist wie eine neue Beziehung: Es werden allerlei Vorstellungen, Hoffnungen und Emotionen daran geknüpft.

Bewerber:innen wollen eine Vorstellung und ein Gefühl davon gewinnen wie es sein könnte, für das in Frage stehende Unternehmen zu arbeiten. Kurz: Modernes Recruiting brauch Corporate Storytelling. Mitarbeiter:innen-Stories im Videoformat beispielsweise sind ein zeitgemäßes und effektives Tool, um den Interessent:innen ein authentisches Bild des Unternehmens zu präsentieren.

Schlanke Bewerbungs­verfahren, schnelle Entscheidungs­prozesse

Häufig hapert es jedoch nicht am Image, sondern am suboptimalen Prozessmanagement. Die Tatsache, dass der Arbeitsmarkt mittlerweile äußerst schnelllebig ist, hat noch nicht jede HR-Abteilung erreicht. Bis die Entscheidung, eine neue Stelle zu besetzen, durch alle Instanzen durchgelaufen und abgesegnet worden ist, sitzen oft die Bewerber:innen längst im Büro eines anderen Unternehmens. Schnelle Entscheidungs­verfahren können in vielen Fällen den ausschlaggebenden Unterschied machen. Auch ein kurzer und unkomplizierter Bewerbungsweg erhöht die Chancen, die oder den Richtigen für den Job zu finden.

Viele gute Gründe also, um einige, unter Umständen nicht mehr ganz zeitgemäße Herangehensweisen im Recruiting zu überdenken – und vielleicht auch, um sich die tatsächliche Bedeutung von effektivem Employer Branding (noch einmal) bewusst zu machen.  

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