Beziehungs/Weise

In Kontakt bleiben: Sicherheit im Change geben

von Edin Mustedanagic
18. 09. 2025
Lesezeit: 4 Minuten

Wenn alles in Bewegung ist, braucht es einen fixen Kontaktpunkt: In Phasen der Veränderung ist Kommunikation mehr als Weitergabe von Information. Sie ist Beziehungspflege und muss auch unangenehme Themen offen ansprechen. Genau diese Funktion wird oft unterschätzt.

„Wie erklären wir das nur unserem Team?“ – diese Frage stellt sich in Zeiten des Wandels häufig. Kommunikation im Change und in der Krise ist eine Gratwanderung, die viele Unternehmen nur allzu gut kennen. Aktuell müssen viele Organisationen wirtschaftliche, technologische und demografische Herausforderungen bewältigen – teils mit weitreichenden Anpassungen für ihre Teams. Gerade in dynamischen Veränderungsprozessen fühlt sich die gemeinsame Reise für die Mitarbeiter:innen wie eine emotionalen Achterbahnfahrt an: Auf ein Tief folgt ein Hoch – wenn die Kommunikation orchestriert ist und Führungskräfte ihre Rolle als Kommunikator:innen wahrnehmen. Doch ebenso schnell kann es wieder kippen, und man findet sich im nächsten Tal der Gefühle wieder. Was folgt dann: Ernüchterung? Enthusiasmus? Eskalation?

Wie es weitergeht, hängt auch davon ab, wie mit Erwartungshaltungen und kollektiven Emotionen generell umgegangen wird – und hier spielt interne Kommunikation eine Schlüsselrolle: von der unternehmensweiten, einheitlichen Ansprache über die zielgruppenorientierte Teamkommunikation bis hin zum persönlichen Vieraugengespräch.

Der Elefant
im Raum

Das Management steht in Transformationsprozessen immer wieder vor einem Dilemma: Zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt es zwar viele offene Fragen, aber keine Fortschritte oder Resultate, die kommuniziert werden können oder dürfen. Also keine „Hard Facts“, die Klarheit in irgendeine Richtung schaffen würden: keine Zahlen, keine Daten, keine Namen. Nichts, was man auf eine Chart werfen oder zur Kenntnis geben kann. Das kann unterschiedliche Gründe haben: strategische Entscheidungen stehen noch aus, gesetzliche Fristen sind einzuhalten oder externe Entwicklungen verlangen eine Neubewertung der Lage. Was ist in solchen Phasen die strategisch sinnvolle und taktisch gebotene Vorgangsweise? Diese Frage stellen sich viele – die interne Kommunikation (sofern vorhanden), die Geschäftsführung und insbesondere die Führungskräfte. Denn die „Suchspannung“ nach Antworten ist gerade in herausfordernden Situationen groß  – und der Flurfunk schläft bekanntlich nie. Soll man abwarten? Die Führungskräfte vorschicken? Einen Sondernewsletter versenden? Und wenn ja: mit welchen Inhalten – und an wen?

Man kann nicht nicht kommunizieren. Dieses Axiom von Paul Watzlawick gilt besonders in sensiblen Veränderungssituationen. Gerade dann richtet sich der Fokus verstärkt auf das Management – jede Geste, jede Formulierung wird beobachtet. Selbst wenn es momentan keine konkreten Entwicklungen oder Entscheidungen zu kommunizieren gibt, erfüllt Kommunikation dennoch eine wichtige Funktion: die sogenannte phatische Funktion oder Kontaktfunktion (vgl. Roman Jakobson). Kommunikation dient nicht nur der Informationsweitergabe – sie hält die Verbindung aufrecht. Und genau das ist in unsicheren Zeiten entscheidend: in Kontakt zu bleiben. Indem man konkrete, erreichbare Kommunikationsangebote schafft – auch wenn es zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen Neuigkeitswert gibt.

Formate, die funktionieren

Es braucht keinen großen Aufwand. Gerade im Change sind kleine, pragmatische Formate effektiv, die sich mit wenig organisatorischem Aufwand realisieren lassen und niederschwellige Kontaktmöglichkeiten bieten:

  • Sprechstunden einrichten: Ein fixer, regelmäßiger Termin, an dem auch das Top-Level-Management persönlich getroffen werden kann.
  • Zentralen Kontaktpunkt benennen: Keine Person, die alle Fragen beantworten kann – aber eine niederschwellige Kontaktmöglichkeit. Auch ein „Kummerkasten“ kann hilfreich sein – digital oder analog.
  • Regelmäßige Info-Formate etablieren: Alle sollen die Möglichkeit haben, Informationen aus erster Hand zu erhalten. Videos können ergänzen, ersetzen aber keine Live- oder Hybrid-Formate.
  • Begegnungen als Chance nutzen: Gespräche im Lift, an der Kaffeemaschine oder in der Kantine als bewusste „Mikro-Formate“ verstehen – um zuzuhören, Präsenz zu zeigen und Nähe zu signalisieren.

Die Erfahrung zeigt: Mitarbeiter:innen haben Verständnis dafür, dass ihre Führungskraft oder auch die Geschäftsführung nicht immer sofort eine Antwort parat hat – weil klar ist, dass manche Entscheidungen andernorts oder erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden. Frühzeitige und transparente Kommunikation wird dennoch als Zeichen von Wertschätzung wahrgenommen – und ist in sich bereits ein vertrauensbildender Schritt.

‚Allerdings braucht sie ein bewusstes Investment: Zeit nehmen, zuhören, Rückmeldung geben – überall dort, wo es möglich ist.

Fazit

Die Geschwindigkeit der Transformation und die Vielzahl an Herausforderungen bringen die interne Kommunikation an ihre Grenzen. Häufig erlebt das Management Situationen, in denen (noch) nichts Neues kommuniziert werden kann – sei es aufgrund ausstehender Entscheidungen oder rechtlicher Vorgaben. In dieser Phase tritt die phatische Funktion der Kommunikation in den Vordergrund: das Halten und Pflegen von Kontakt. Genau das ist der Schlüssel, um Vertrauen zu erhalten und Orientierung zu geben – auch wenn es (noch) keine Antworten gibt.

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