Beziehungs/Weise

Betriebliche Gesundheitsförderung?
Jo eh …

von Gabriele Fischereder
19. 09. 2017
Lesezeit: 5 Minuten

Ich habe wirklich lange überlegt, ob ich diesen Blogbeitrag schreiben soll. Wird das auch sicher nicht als angriffig wahrgenommen? Belehrend sein will ich schon gar nicht. Und dann hatte ich heute einen so tollen Termin, der mir wieder einmal gezeigt hat, wie wichtig das Thema ist und wie viel es bringen kann.

Es geht also um Betriebliche Gesundheitsförderung (auch als „BGF“ abgekürzt). Dh. darum, sich als Unternehmer, Führungskraft oder Personalist ernsthaft Gedanken über das Wohlergehen seiner Mitarbeiter zu machen. Und nein, unter „ernsthaft“ verstehe ich nicht, 1x pro Woche einen Obstkorb in der Küche bereitzustellen oder eine Gratis-Zeckenimpfung beim Betriebsarzt anzubieten.

Vielmehr besteht ein BGF-Projekt darin, am Beginn gemeinsam mit den Mitarbeitern zu analysieren, was im Betrieb gut läuft und wodurch es aber auch zu Belastungen kommt, die die körperliche bzw. seelische Gesundheit der Mitarbeiter beeinträchtigen. Aus diesem gesammelten Wissen gilt es dann im nächsten Schritt konkrete Maßnahmen abzuleiten und diese auch zur Umsetzung zu bringen.

Es hapert an der Basis

Idealerweise wird aus dem Projekt ein fixer Prozess, aus der einmaligen Analyse ein laufender Gesundheitszirkel und aus dem Maßnahmenkatalog ein lebendiges Dokument. Aber so weit will ich an dieser Stelle noch gar nicht gehen. Denn es hapert in vielen Unternehmen leider noch immer an der Basis.

Denn obwohl es seit einigen Jahren sogar eine gesetzliche Grundlage gibt, die vorschreibt, dass z.B. psychische Belastungen am Arbeitsplatz regelmäßig evaluiert werden müssen, erlebe ich in der Praxis immer wieder das Gegenteil. Da sagen mir Geschäftsführer z.B.:

„Ja, ich weiß, dass das ganz wichtig ist, aber wissen Sie, wir haben grad’ andere Baustellen.“

„Solange der Arbeitsinspektor nicht anklopft, tu’ ich mal nix.“

„Betriebliche Gesundheitsförderung? Ja, das hab‘ ich für 2019 auf meiner Liste!“

Keine Frage, es gibt immer viel zu tun und zuerst müssen die Kunden bedient werden und unmittelbar erfolgskritische Themen gut erledigt sein. Dass das Projekt „Mitarbeitergesundheit“ in vielen Firmen aber immer noch ein „nice to have“ ist, das oft viel zu lange aufgeschoben oder nur halbherzig angegangen wird, finde ich nicht nur schade, sondern auch unverständlich. Denn:

Gesunde Mitarbeiter zahlen sich aus!

Wer an Betriebliche Gesundheitsförderung denkt, dem fällt vermutlich recht schnell die Krankenstandsquote – und die damit verbundenen Kosten – als Kennzahl ein. In vielen Betrieben mag die vielleicht gar nicht sooo hoch liegen.

Grund dafür kann allerdings sein, dass Mitarbeiter aus Verantwortungsbewusstsein, Kollegialität oder aus Angst davor, den Job zu verlieren krank zur Arbeit kommen, obwohl sie eigentlich das Bett hüten sollten. Man spricht hier vom Phänomen „Präsentismus“.

Insofern überrascht es auch nicht, dass die Anzahl an Krankenstandstagen in vielen Unternehmen erst einmal ansteigt, sobald sie ihre Belegschaft für einen achtsamen Umgang mit sich selbst sensibilisieren. Dort wo aber nachhaltig Belastungen reduziert und Gesundheitsressourcen aufgebaut werden, geht die Krankenstandsquote mittel- bis langfristig tatsächlich zurück.

Mittlerweile gibt es auch Studien, die belegen, dass jeder Euro, der in gesundheitsförderliche Maßnahmen am Arbeitsplatz investiert wird, sich 3-6x bezahlt macht, dh. einen ROI (Return on Investment) von 1:3 bis 1:6 bringt.

Aber viel relevanter als diese messbaren Ergebnisse sind meiner Meinung nach alle weichen „Nebeneffekte“: Betriebliche Gesundheitsförderung steigert die Produktivität der Mitarbeiter und erhält die Arbeitsfähigkeit wichtiger Schlüsselkräfte bis ins hohe Alter. Wo Belastungen und Reibungspunkte auf den Tisch gebracht werden, trägt das ganz oft zu einer besseren Kommunikation und zur Optimierung von Prozessen und Abläufen bei.

Wenn Mitarbeiter spüren, dass ihr Arbeitgeber am Wohlergehen der Mannschaft interessiert ist, steigert das außerdem Zufriedenheit und Motivation und das erhöht schließlich auch die Loyalität zum Unternehmen.

Nicht zuletzt zahlen Aktivitäten zur Gesunderhaltung am Arbeitsplatz auch maßgeblich auf Ihre Attraktivität als Arbeitgeber ein.

Übrigens: Beim eingangs erwähnten Kundentermin dient eine Analyse zum Thema „Arbeitsfähigkeit und Gesundheit der Mitarbeiter“ nun sogar als Startschuss für eine unternehmensweite Organisationsentwicklung. Großartig, wie ich finde.  

Viele Wege führen nach Rom

Wenn Sie jetzt Feuer gefangen haben oder ich zumindest einen kleinen Funken an Interesse bei Ihnen wecken konnte, dann stellen Sie sich vermutlich die Frage: Wie gehe ich das Thema Betriebliche Gesundheitsförderung am besten an und kann ich mir das ressourcentechnisch überhaupt leisten?

Die gute Nachricht ist, dass Sie mit kleinen Schritten beginnen können. Und damit meine ich wieder nicht den Obstkorb (bitte verstehen Sie mich nicht falsch, es spricht nichts gegen einen Obstkorb, aber der alleine reicht einfach nicht), sondern vielleicht mal’ ein Workshop mit Ihrem Team, in dem Sie über Belastungen am Arbeitsplatz diskutieren oder ein Seminar zum Thema „Gesundes Führen“ für Ihre Teamleiter.

Eine weitere Möglichkeit stellen die zahlreichen geförderten Angebote dar, die es in Österreich mittlerweile in diesem Bereich gibt. Das kann eine Anstoßfinanzierung durch die GKK sein, wenn Sie ein BGF-Projekt starten oder die zu 100% geförderte fit2work Betriebsberatung, die auf den Erhalt der Arbeitsfähigkeit Ihrer Mitarbeiter abzielt. Oder aber Sie beginnen einmal mit jenen Dingen, die der Gesetzgeber ohnehin vorschreibt, dh. mit einer regelmäßigen Betreuung durch einen Arbeitsmediziner und der Durchführung der Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz.

Egal, wofür Sie sich entscheiden: Es zahlt sich definitiv aus, sich Zeit für die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter zu nehmen! Falls Sie andere Erfahrungen machen sollten, bin ich auch neugierig darauf und freue mich über einen kritischen Austausch darüber.  

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