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5 Shades of Yellow: Wie die Post AG aus fünf Kulturen ein Team formte

von Edin Mustedanagic
23. 10. 2025
Lesezeit: 7 Minuten

Eine Mission, fünf Kulturen und eine gemeinsame Rakete: Sebastian Saxinger, Change Manager bei der Österreichischen Post AG, gab beim 30. HR/Café Einblicke in einen ambitionierten Transformationsprozess: die Fusion von fünf kulturell völlig unterschiedlichen Unternehmensteilen zur Post Business Solutions (PBS). Ein Projekt, das nicht nur die Zusammenarbeit neu definierte, sondern auch dazu beitrug, den EBIT ins Plus zu drehen.

Ein lauer Herbstabend bricht an. Das Café Volksgarten im Linzer Musiktheater erstrahlt in hellem Licht. Mit Neugier und Vorfreude treffen die Gäste des 30. HR/Cafés ein. Heute steht ein Thema im Mittelpunkt, das viele Unternehmen beschäftigt: Wie gelingt es, aus unterschiedlichen Unternehmenskulturen ein Team zu formen, das gemeinsam an Lösungen der Zukunft arbeitet? Und was braucht es, damit kulturelle „Schnellboote“ und „Dampfer“ nicht nur nebeneinander existieren, sondern erfolgreich kooperieren?

Sebastian Saxinger von der Österreichischen Post AG nimmt die Gäste mit auf eine spannende Reise. Seit 2023 begleitet er als Change Manager die Transformationsprozesse der Post Business Solutions PBS – mit rund 400 Mitarbeitenden, die eine neue gemeinsame Kultur formen. Die PBS ist heute ein Serviceprovider für Dokumentenmanagement und -automatisierung – hervorgegangen aus ehemals fünf eigenständigen Einheiten.

Von Briefen, Scans und Skeptikern

Lange war die Post AG vor allem eines: ein Logistikpartner mit klarem Fokus auf die Briefzustellung. Ab 2006 begann sie, ihre Wertschöpfungskette schrittweise zu erweitern. Druck und Kuvertierung kamen hinzu, später Scan und Validierung, das Poststellenmanagement und eine Softwarefirma. Hinter all diesen Bereichen standen eigenständige Tochterunternehmen, jedes mit einer eigenen Kultur. Das Poststellenmanagement war der Inbegriff der klassischen Post: traditionell, stabil und mit „gelbem Blut“ in den Adern. Scanpoint, EMD und d2d waren klassische produzierende Einheiten. Sendhybrid, ein Tech-Startup aus Graz, schwankte zwischen Unabhängigkeitsdrang und Konzernzugehörigkeit – ein Hybrid, der sich schwer einordnen ließ.

„Wir hatten zwischenzeitlich drei Vertriebler mit drei Visitenkarten – und zwei Scan-Firmen, die teils in Konkurrenz zueinander standen“, beschreibt Saxinger. Die Ausgangslage war also komplex. Die Lösung: Konsolidierung. Doch wie bringt man Teams zusammen, die sich kulturell kaum fremder sein könnten? Manche Mitarbeitende standen der Veränderung skeptisch gegenüber – zu groß schien der Eingriff in Gewohntes. Was es brauchte, war ein Konzept, das erklärt, warum Veränderung nötig ist, und gleichzeitig Lust auf das Neue weckt.

„Wir bauen uns eine Rakete“ – der Weg zur PBS

Um den Change greifbar zu machen, wählte das Team eine eingängige Metapher: den Bau einer Rakete. Die unterste Stufe, der Antrieb, stand für die rechtlichen Rahmenbedingungen und IT-Systeme, die Basis, ohne die nichts funktioniert. Die Hülle und das Innere symbolisierten, was jede Organisation zusammenhält: gemeinsame Ziele, Werte und Kultur.

Von Beginn an setzte das Change Management auf sichtbare Zeichen. An allen Standorten wurden alte Logos gesucht und entfernt. Dieser symbolische Schnitt sollte den Wandel spürbar machen und ein Wir-Gefühl schaffen. Ein gemeinsamer „Geburtstag“ markierte den Start der PBS: „Alles, was vor diesem Tag war, ist Vergangenheit. Ab jetzt gingen wir gemeinsam in die Zukunft“, erzählt Saxinger. Ein weiteres Ritual half, die neue Einheit zusammenzuhalten: monatliche Online-Townhalls mit bis zu 100 Teilnehmenden. Sie sorgten für Transparenz und beantworteten die entscheidende Frage: Warum tun wir das? „Der Flurfunk war unser größter Herausforderer“, sagt Saxinger. „Also wollten wir ihn neutralisieren – indem wir selbst die Informationshoheit übernommen haben.“

Wie Vertrauen entsteht

Symbolische Akte zu setzen war ein erster Schritt. Die eigentliche Herausforderung lag aber darin, Vertrauen aufzubauen – und das in einer Zeit, in der die Teams sich aufgrund von Corona kaum persönlich sehen konnten. Als hilfreich erwies sich dabei ein Mix aus OKRs, Freiheit und Eigenverantwortung. Die Post Business Solutions führte OKRs (Objectives & Key Results) nicht als reines Controlling-Instrument ein, sondern vielmehr als Werkzeug der Befähigung. Vier Produktstreams erhielten Product Owner und Manager – mit echter Entscheidungsmacht. „Plötzlich durften Teams selbst bestimmen, welche Features ihr Produkt bekommt und wie sie ihre Ressourcen einsetzen“, erklärt Saxinger. „Das war ein Kulturwandel: von ‚Das haben wir immer schon so gemacht‘ zu ‚Was brauchen wir, um unser Ziel zu erreichen?‘“

  • OKRs als Kompass: Jedes Team definierte seine eigenen Ziele und Meilensteine, stets im Einklang mit der Gesamtstrategie. „Ein Objective ist wie ein Stern, den man anpeilt. Die Key Results sind die Schritte, die dorthin führen“, sagt Saxinger. Den Weg dorthin gestalten die Teams selbst.
  • Coaching-Community als Rückgrat: Zehn interne OKR-Coaches begleiteten die Teams – keine externen Berater:innen, sondern Kolleg:innen, die sich freiwillig engagierten. „Das war entscheidend“, betont Saxinger. „Change passiert nicht durch bunte PowerPoint-Folien, sondern durch Menschen, die beteiligt werden und einander vertrauen.“

 

Kultur als Treibstoff – und warum Muffins helfen

Die besten Strukturen und Prozesse nützen wenig, wenn Identifikation und Akzeptanz fehlen. Das war auch dem Change Management der Post Business Solutions bewusst. Deshalb setzte man auf drei gezielte Hebel, um die Unternehmenskultur nachhaltig zu prägen: Die Werte der Konzernmutter dienten als kulturelle Basis. Freude, Sinn und Leistung wurden zur Grundlage der neuen PBS-Kultur. Gleichzeitig führte man Job-Rotation als Eye-Opener ein: Mitarbeiter:innen konnten für kurze Zeit in andere Bereiche wechseln. „Plötzlich sahen Vertriebskolleg:innen, was in der Produktion passiert und umgekehrt“, erzählt Saxinger. „Das hat Vorurteile abgebaut und gezeigt, dass wir alle am selben Produkt arbeiten.“ 2026 folgt mit der PBS Academy der nächste Schritt: ein neues Ausbildungsprogramm für operative Führungskräfte mit Fokus auf Feedback, Unternehmenskultur und Zukunftskompetenz. „Wir hatten keine Weiterbildung für unsere Führungskräfte. Das war eine Lücke – und die haben wir geschlossen.“

Manche Mitarbeiter:innen blieben zunächst skeptisch – sie fürchteten, ihre Identität oder ihren Status zu verlieren. Doch das Change Management wusste: Widerstand ist kein Hindernis, sondern ein wichtiges Signal. Deshalb setzte man auf Nähe und Dialog. Es wurden auch kleine Gelegenheiten für informellen Austausch bei Kaffee und Kuchen geschaffen, den solche Momente bringen oft überraschend viel. Mit regelmäßigen Mitarbeiter:innen-Umfragen, persönlichen 1:1-Interviews („Deep Dives“) mit jeweils zehn Teilnehmer:innen pro Runde und ergänzenden Fokusgruppen wurde ein intensiver Dialog ermöglicht. Ein zentraler Orientierungspunkt war dabei der „Nordstern“ – die PBS-Strategie 2030. „Wir haben gefiltert, was zur Post-Strategie passt, und die Mitarbeiter:innen aktiv eingebunden. Es sollte kein Poster an der Wand bleiben, sondern gelebte Realität werden“, sagt Saxinger.

EBIT im Plus – und ein Team, das zusammenwächst

Heute wird deutlich, welche Wirkung ein konsequent gesteuerter Change-Prozess entfalten kann, wenn Kultur, Kommunikation und klare Ziele ineinandergreifen:

  • Finanzieller Turnaround in die Profitzone ohne Personalabbau
  • 75 % der Mitarbeiter:innen fühlen sich heute der Post und der PBS zugehörig. Ein Wert, der vor der Fusion undenkbar gewesen wäre.
  • Steigende Kund:innen-Zufriedenheit

 

Saxingers Fazit ist klar: Change gelingt am besten von innen heraus. „Wer den berühmten Hut aufhat und gleichzeitig Teil des Leadership-Teams ist, kann Brücken bauen – zwischen Strategie und Umsetzung, zwischen Skeptikern und Befürwortern.“ Eine eigene Transformation Unit sei dabei „Gold wert“.

Die wichtigste Er­kennt­nis aus dem HR-Café?

Kultur ist kein Projekt, sondern ein Prozess. Heterogene Teams entwickeln ein Zusammengehörigkeitsgefühl, Kommunikation, Kultur und klare Ziele, die aufeinander abgestimmt werden.

Wir bedanken uns für das große Interesse an unserem Format. Danke den geschätzten Gästen, unter anderem von Wacker Neuson Linz GmbH, Primetals Technologies Austria GmbH, Polytec Group, Robert Bosch AG, Business Upper Austria, KUKA Roboter CEE GmbH, TEDi Warenhandels GmbH, HYPO OOE, mann&mouse und vielen mehr fürs Dabeisein! Wir freuen uns auf ein Wiedersehen.

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