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Künstliche Intelligenz: Chance oder Arbeitsmarkt­katastrophe?

von Tomá Ivanov
06. 03. 2023
Lesezeit: 5 Minuten

Midjourney und Chat GPT – wird der Terminator am Ende doch noch Realität? Die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren rasante Fortschritte gemacht und wird immer mehr in verschiedenen Branchen eingesetzt. Von automatisierten Kundenservices über selbstfahrende Autos bis hin zu medizinischer Diagnostik – die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig. Doch neben den Vorteilen birgt KI auch Risiken, insbesondere für traditionelle Arbeitsplätze. Wie kann man sich gerade im HR-Bereich für diesen potenziellen Paradigmenwechsel wappnen?

Plot Twist für jene, die bis hierher gelesen haben, denn die obige Einleitung wurde von Chat GPT höchstpersönlich verfasst – den weltweit begehrtesten und dadurch konstant die Serverkapazitäten sprengenden Chatbot der Firma Open AI. Die Künstliche Intelligenz schreibt nun über sich selbst – ein artifiziell generiertes „cogito ergo sum“ quasi. Das Resultat kann sich jedenfalls sehen lassen. Zugegeben mit etwas menschlicher Nachhilfe, schließlich muss man den Bot erst mit den richtigen Schlagwörtern füttern, um brauchbare Ergebnisse zu bekommen.

Dass dies aber bei Weitem nicht das Ende der Fahnenstange ist, beweist Chat GPT jetzt schon: Der KI Bot kann binnen Sekunden nicht nur ganze Blog Beiträge verfassen, sondern auch Lebensratschläge, Gedichte oder Songtexte komponieren, ja sogar Apps programmieren. Für einige unter uns – naturgemäß auch für den Verfasser dieses Beitrags – stellt sich somit real die Frage: Müssen wir angesichts der über- (oder trans?)menschlichen Leistungen einer gefühlt neuen KI Revolution um unseren Job bangen? Vielleicht.

Mit Technologie in die Dystopie?

Die technologische Endzeit-Dystopie wurde nicht erst seit gestern vorhergesagt, aber nach einigen Versuchen mit Chat GPT, erscheinen die Stimmen der Apokalyptiker nicht mehr ganz so weit hergeholt. Klar, von dem gottähnlichen KI-Wesen aus Stanley Kubrick’s Kultfilm „2001: A Space Odyssey“, sind wir noch weit entfernt. Und noch mehr von der allumfassenden Intelligenz „Deep Thought“, die im Sci-Fi-Klassiker „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams, den Sinn des Lebens „errechnen“ können soll. Aber erwächst nicht auch der größte Baum aus einem zarten Pflänzchen? Immerhin gilt es zu bedenken, dass der technologische Entwicklungsfortschritt exponentiell verläuft. Eins ist jedenfalls klar:

Um für die potenziell großflächigen Veränderungen am Arbeitsmarkt gewappnet zu sein, sollten HR-Experten obsolet werdende Kompetenzen frühzeitig erkennen lernen sowie entscheidende Future Skills antizipieren.

Welche Skills drohen aber obsolet zu werden?

In erster Linie trifft es manuelle Tätigkeiten, die zusehends von Maschinen oder Algorithmen übernommen werden. Besonders betroffen sind Berufe im produzierenden Gewerbe, aber auch in anderen Branchen wie dem Banken- und Versicherungswesen, wo ehemals menschliche Entscheidungsprozesse durch computergestützte, datenbasierte Evaluierungsvorgänge ersetzt werden. In einem Satz: Jeder menschliche Vorgang, der auf Basis von Wahrscheinlichkeiten mithilfe einer dafür ausreichenden Datenmenge kombinatorisch digital oder physisch nachgebildet werden kann, wird früher oder später der Automatisierung zum Opfer fallen.

Nicht berechenbar: die Schwächen künstlicher Intelligenz

Genau an diesem Punkt offenbart sich das zweischneidige Schwert: Ohne Zweifel – viele Jobs werden durch KI vernichtet werden, auf der anderen Seite wird jedoch der Fokus auf das wesentliche Potenzial des Menschen geschärft:

Intuition, originäres Handeln, Innovation – Fähigkeiten, die für komplexe Tätigkeiten und Entscheidungsvorgänge essenziell sind. Hier kann künstliche Intelligenz in Ermangelung eines „Bewusstseins“ nicht mithalten.

KI kann keine Fragen beantworten, die Schlussfolgerungen und ein differenziertes Verständnis von Sprache oder ein umfassendes Verständnis mehrerer Themen erfordern. Wissenschaftlern ist es zwar gelungen, der KI "beizubringen", standardisierte Tests der achten Klasse und Oberstufe zu bestehen, eine Aufnahmeprüfung für ein College hat KI bislang jedoch nicht gemeistert.

Ein weiteres Beispiel: Bei Versicherungsfragen ist eine intuitive Menschenkenntnis erforderlich, die sich aus dem direkten, zwischenmenschlichen Kontakt ergibt und die seitens der Kund:innen auch subtile Informationen preisgibt, die für den spezifischen Fall entscheidend sein können. Ein KI-Bot kann Unterscheidungen dieser Art, auch mit noch so viel Rechenpower, nicht adäquat verarbeiten.

Hyperautomation: Symbiose aus Mensch und Maschine

Die Zukunft kann nur eine harmonische Verzahnung von Mensch und Maschine sein – miteinander statt nebeneinander. Diese Entwicklung wird auch als „Hyperautomation“ oder „Workforce Augmentation“ bezeichnet. Repetitive, also „errechenbare“ Aufgaben werden automatisiert, der Mensch mit seiner umfassenden Entscheidungskompetenz spielt jedoch weiterhin eine zentrale Rolle. Diese neuen Rollenbilder und Future Skills besser zu verstehen, ist eine wesentliche Aufgabe des HR-Bereichs.

KI stellt Personalabteilungen damit nicht nur vor große Herausforderungen bei der Rekrutierung und Weiterbildung von Mitarbeitern, der Erfassung von Kompetenzen und der Veränderung der Arbeitskultur. Sie bietet auch für die Personalgewinnung große Chancen zur Bewältigung dieser Herausforderung und wird die Personalarbeit ebenso stark transformieren wie andere Funktionsbereiche. Auch in den HR-Abteilungen selbst wird künstliche Intelligenz eine grundlegende Änderung bestehender Arbeitsweisen einleiten.

Der US-amerikanische Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist Neil deGrasse Tyson gibt allerdings Entwarnung: Der durch Technologie eingeleitete Arbeitsmarktkollaps soll auch in den 70er Jahren heraufbeschworen worden sein, dennoch gäbe es heute mehr Jobs als je zuvor – vor allem wenn man den Bevölkerungszuwachs in Betracht ziehe. Seine Prognose:

Die Arbeitswelt wird nicht kollabieren, sie wird sich nur (wie immer) verändern – vielleicht etwas schneller als uns lieb ist.

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